Das Stadion von Kapstadt war der teuerste Neubau für die Fußball-WM 2010 in Südafrika. Foto: Nic Bothma Foto: DPA Zoom
Das Stadion von Kapstadt war der teuerste Neubau für die Fußball-WM 2010 in Südafrika. Foto: Nic Bothma Foto: DPAAn diesem Samstag im April ist mal wieder richtig was los im Cape Town Stadium. 21 000 Menschen finden sich ein in Kapstadts architektonischem Schmuckkasten, so viele wie schon lange nicht mehr. Am Vortag des nur Frauen offenstehenden Zehn-Kilometer-Rennens mit dem sinnigen Titel „Südafrikas schönster Straßenlauf“ hat ein Global Player des Lebensmittelhandels alle Teilnehmerinnen eingeladen, im Rundgang unter den Tribünen der Arena mit der Startnummer auch eine Geschenktüte abzuholen. Vor den Ausgabeständen bilden sich sogar Warteschlangen.Dass sich Besucher anstellen müssen in Kapstadts schönstem und größtem Stadion, ist eher selten. Mehr Menschen als an diesem sonnigen und windigen Tag im südafrikanischen Herbst haben zuletzt im November 2013 die Tore passiert. Damals wollten 25 000 Zuschauer den 1:0-Sieg der Fußballer von Ajax Cape Town im Spiel der Premier Soccer League (PSL) gegen die Kaizer Chiefs aus Johannesburg sehen. Gegen Maritzburg United verloren sich vier Wochen später dann nur 150 unentwegte Fans in der 60 000-Mann-Arena. Im Schnitt kommen 8000 Besucher zu den Spielen des afrikanischen Ablegers von Ajax Amsterdam, zur Kostendeckung wäre die doppelte Anzahl nötig.
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Vier Jahre nach der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika, bei der das deutsche Team vor ausverkauftem Haus in dem damals noch Green Point Stadium genannten Fußballtempel einen 4:0-Sieg im Viertelfinale gegen Argentinien feierte, sind in der 450-Millionen-Euro-Immobilie eher Trauerspiele die Regel – wenn überhaupt. Beim Afrika Cup 2013 blieb die spektakulär zwischen Tafelberg und Tafelbucht gelegene Betonschüssel aufgrund der finanziellen Konditionen unberücksichtigt.
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„Ajax Kapstadt und andere Vereine der Premier Soccer League nutzen das Stadion. Es finden auch große Konzerte statt“, weiß der frühere südafrikanische Nationalspieler Bradley Carnell zu berichten. Der ehemalige Bundesligaprofi des VfB Stuttgart, von Borussia Mönchengladbach und dem Karlsruher SC kommentiert seit dem Ende seiner Karriere beim Fernsehsender Supersport das Fußballgeschehen in der Heimat und in Europa. Wie viele Landsleute würde sich auch Carnell wünschen, dass nicht nur das Kapstadt-Stadion besser genutzt würde, sondern auch die anderen neun WM-Arenen. Die Realität sieht aber so aus, dass selbst Ajax nur elf seiner 16 Heimspiele in der jetzt beendeten Saison in dem Oval ausgetragen hat. Die Gespräche der Stadt als Eigentümerin des Stadions mit dem populären Rugby-Club Stormers über einen Umzug in die imposante Immobilie sind immer noch nicht von Erfolg gekrönt. Die Kommune muss jährlich 3,5 Millionen Euro aufbringen für den Unterhalt des Stadions. Mangels Auslastung war sogar schon von Abriss die Rede. Immerhin findet sich seit Mitte Mai auf der Homepage unter der Rubrik „Events“ wieder mal ein Eintrag: Am 1. April 2015 gastiert die Kult-Band One Direction in Kapstadt.
Die Skeptiker dürfen sich dennoch bestätigt fühlen: Das Cape Town Stadium ist weitgehend zu dem weißen Elefanten mutiert, der befürchtet worden war, also zu einem Großprojekt ohne wirklich nachhaltige Nutzung. Von diesem sonst eher seltenen Geschöpf, von dem nach der WM 2014 auch in Manaus im brasilianischen Amazonas-Regenwald ein Exemplar herumstehen wird, gibt es im Gastgeberland der vergangenen WM gleich eine kleine Herde. 1,4 Milliarden Euro verschlangen der Neubau von sechs und der Umbau von vier Stadien – Monumente eines Größenwahns, wie ihn der Fußball-Weltverband Fifa ohne Rücksicht auf Verluste des Gastgeberlandes verlangt. Vier Jahre nach der ersten WM in Afrika steht beispielsweise das Peter-Mokaba-Stadion in Polokwane meistens leer, weil die lokalen Fußball- und Rugbyteams lieber im benachbarten Pietersburg-Stadion spielen.
Um die WM-Stadien in Polokwane und andernorts wenigstens sporadisch zu nutzen, tragen Teams wie die Kaizer Chiefs ihre „Heimspiele“ oft in der Fremde aus, zum Beispiel auch in Port Elizabeth. Die Stadt am Indischen Ozean, die keinen eigenen Fußballverein besitzt, liegt mehr als eine Flugstunde von Johannesburg entfernt, wo der gerade von den Mamelodi Sundowns aus Pretoria entthronte Meister sein Domizil hat – und bisweilen vor gähnend leeren Rängen in der 90 000-Mann-Arena spielt. Ausverkauft meldet Soccer City, wo Spanien das WM-Finale mit 1:0 gegen die Niederlande gewann, allenfalls bei Derbys gegen die Orlando Pirates aus dem benachbarten Soweto oder bei politischen Veranstaltungen wie im vergangenen Dezember bei der Trauerfeier für Nelson Mandela. Auch in der Riesenschüssel, die nach dem Verkauf der Namensrechte inzwischen FNB Stadium heißt, wird One Direction gleich zweimal auftreten.
Einnahmen generiert die Stadt Johannesburg als Stadion-Besitzerin auch, wenn Weltkonzerne wie Daimler-Benz die Arena für Marketingmaßnahmen buchen. Wer eine Stadionführung mitmacht, finanziert durch seine Eintrittsgebühr zumindest die Arbeitsplätze von Tour-Guides wie Ephraim K., der im Allerheiligsten der Arena mit einer Mischung aus Stolz, Melancholie und kindlicher Freude auf die immer noch vorhandenen Flecken durch alkoholhaltige Getränke an der Decke der Umkleidekabine hinweist, in der die Spanier den WM-Titel anno 2010 exzessiv begossen.
Als Ephraim im Bauch der Arena seiner Besuchergruppe anhand eines Modells Soccer City vorstellt, fügt er dem Hinweis, dass es sich bei dem Gebäude neben dem Stadion um die Zentrale des südafrikanischen Fußball-Verbandes Safa handelt, dann aber noch hinzu: „Hier endet die Korruption.“ Mehr als drei Millionen Euro hat das Hauptquartier gekostet.
Spätestens seit dem Schlusspfiff des WM-Finales sind in Südafrika die Begriffe Bestechung, Bereicherung, Veruntreuung und Spielmanipulation so präsent wie der Name Siphile Tshabalala – der Mann mit den markanten Zöpfen, der dank seines Führungstores im WM-Eröffnungsspiel in Johannesburg beim 1:1 gegen Mexiko eine Euphorie entfachte und seither wie ein Popstar gefeiert wird. 2002-WM-Teilnehmer Bradley Carnell sagt nur, dass es Gerüchte über Korruption immer wieder gegeben habe.
Insgesamt sechs Milliarden Euro kostete Südafrika die WM, die die Kassen der Fifa prall füllte. Aus den Gesamteinnahmen von rund 2,6 Milliarden Euro überwies der Weltverband 700 Millionen Rand (rund 50 Millionen Euro) in einen „Legacy Project“ genannten Fonds für Fußball-Entwicklungshilfe, wovon die südafrikanische Föderation ein Zehntel als Sofortmaßnahme in den Fuhrpark investierte. Um das für den Trainings- und Spielbetrieb elementare Transportproblem zu lösen, wurden für die 52 regionalen Verbände Kleinbusse, Transporter und Pkw angeschafft – aber auch 36 Karossen mit dem Stern auf der Motorhaube für Safa-Funktionäre.
Ins Rollen bringen mit den Fifa-Geldern will Präsident Danny Jordaan, der im September an die Spitze des nach Misswirtschaft verschuldeten Verbandes gewählt wurde, nun endlich die am Boden liegende Nachwuchsarbeit. Jordaan war Chef des WM-Organisationskomitees und „genießt in Südafrika großen Respekt“, wie Carnell betont. Vorwürfe, der Manager habe sich aus dem Fifa-Hilfstopf selbst eine üppige Abfindung genehmigt, ließen sich nicht beweisen. „Wir hoffen alle, dass er etwas bewegen kann“, sagt Carnell. Jordaan, der der weit verbreiteten Spielemanipulation den Kampf angesagt hat, will die Trainer- und Schiedsrichterausbildung verbessern sowie regionale Fußballakademien einrichten, um den Nachwuchs wettbewerbsfähig zu machen.
Bis die Maßnahmen greifen, dürften Jahre vergehen. Direkt profitiert von der WM hat nach Aussage von Carnell die Profiliga, die gut dotierte Fernseh- und Sponsorenverträge an Land gezogen hat. Er sieht die Entwicklung kritisch: „Topspieler können sehr gutes Geld verdienen, in meinen Augen etwas zu viel. Sie haben keinen Hunger mehr auf Europa, wo sie sich fußballerisch verbessern könnten.“
So kommt es also, dass die Generation nach Bradley Carnell oder Steven Pienaar, der bei Ajax Cape Town begann und über Ajax Amsterdam und Borussia Dortmund am Ende seiner Karriere beim FC Everton gelandet ist, nicht in Mönchengladbach oder Manchester kickt, sondern in Maritzburg oder Mbombela, dem früheren Nelspruit. Auch in der 250 000-Einwohner-Stadt, bekannt als Tor zum Krüger-Nationalpark, gibt es einen weißen Elefanten, der zuletzt etwas Farbe bekommen hat. Sieben Kilometer außerhalb von Nelspruit hatte die Fifa auf dem Gelände eines ehemaligen Townships ein 115 Milionen Euro teures Stadion für 45 000 Zuschauer errichten lassen, obwohl es weder einen Fußball- noch einen Rugby-Club gab. Seit einem Jahr ist das anders: Dem Betreiber ist es gelungen, der 150 Kilometer entfernten Stadt Witbank sowohl das Rugby-Team Pumas als auch die Fußballmannschaft Mpumalanga Black Aces abspenstig zu machen. Garantie dafür, dass sich die seit der WM verkehrstechnisch gut angebundene Provinzstadt nun zu einem Zentrum für Ballsportarten entwickelt, ist dieser Doppel-Transfer noch lange nicht.
WM 2010: Stadien in Südafrika stehen heute meist leer | GA-Bonn – Lesen Sie mehr auf:
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